Dr. Jens Hoffmann & Katrin Streich, I:P:Bm
Bedrohungsmanagement ist eine operative Fachdisziplin, in der gemäß des Mottos "Erkennen, Einschätzen, Entschärfen" eine verhaltensorientierte Risikoanalyse eng verzahnt mit einem Fallmanagement durchgeführt wird. Bedrohungsmanagement ist dabei kein statisches Unterfangen, sondern ein dynamischer und fallbegleitender Prozess mit dem Ziel, dass es zu keiner Gewalteskalation kommt und dass auch die psychische Integrität und Gesundheit der von Stalking-Betroffenen geschützt wird.
Die Fälle von seelischen und körperlichen Verletzungen für Betroffene sind in diesem Deliktsbereich bemerkenswert hoch. Vielfach wird eine solche Viktimisierung als ein lebenseinschneidendes Erlebnis geschildert mit markanten psychischen Belastungsfolgen, die oftmals über Monate oder gar Jahre andauern. Bei schweren Fällen von Stalking ist deshalb meist ein länger währendes Fallmanagement unerlässlich, welches die Betroffenen berät und schützt. Aufgrund des erhöhten Gewaltpotenzials erscheinen zudem in der Regel periodische Risikoeinschätzungen sinnvoll.
Personen, die Stalking-Verhalten zeigen, sind jedoch nicht alle gleich, sondern zum Teil sehr unterschiedlich. Dies wurde schon früh in der Forschung zu Stalking festgestellt. Als markante Differenzierungsmerkmale gelten etwa die Vorbeziehung zwischen Stalker und Betroffenen, die Persönlichkeitsstruktur der fixierten Personen sowie das etwaige Vorhandensein von Psychopathologien. Diese Differenzierungen müssen auch in einem konkreten Bedrohungsmanagement berücksichtigt werden, es gibt also kein einheitliches, statisches Bearbeitungsschema für den Umgang mit Stalking.
Beim abgewiesenen oder Trennungs-Stalking versucht die stalkende Person, die Beziehung wieder herzustellen oder durch die Ausübung von Psychoterror die eigene Wahrnehmung von Ohnmacht in Macht umzuwandeln. Der beziehungssuchende Stalker strebt eine persönliche Bindung an, die nicht intimer Natur sein muss, sondern auch in anderen Formen wie etwa in einer gewünschten Freundschaft Ausdruck finden kann oder in einer verehrenden Haltung gegenüber dem Ziel der Fixierung. Beim rachemotivierten Stalking möchte es der Verfolger dem Betroffenen heimzahlen, von dem er glaubt, Unrecht erfahren zu haben. Dabei soll das Stalking dahingehend dienlich sein, in dem es die Zielperson in Angst und Schrecken versetzt und somit leiden lässt.
Der wahnhafte oder psychotische Stalker glaubt, dass zwischen ihm und dem Opfer eine Beziehung besteht, obgleich diese zumindest in dieser Form nicht vorhanden ist. Ursache hierfür ist eine psychotische Erkrankung, wie beispielsweise die Erotomanie, also ein Liebeswahn. Aber auch andere Wahninhalte können eine Rolle spielen, wie die Vorstellung, dass ein Prominenter dem Stalker über die Medien geheime Zeichen zukommen lässt. Ein Macht und Dominanz Motiv findet sich bei dem psychopathischen Stalker, der eine Befriedigung daraus zieht, sein Opfer zu erniedrigen und in Angst zu versetzen.
Da Stalking seinem Wesen nach also ein dynamisches und hochkomplexes Geschehen darstellt, erfordert jeder Einzelfall eine spezifische Analyse und ein individuelles Bedrohungsmanagement. Vor dem Hintergrund eines immer zu beachtenden möglichen Gewaltrisikos ist der Einsatz professioneller und wissenschaftlich basierter Risikoeinschätzungsinstrumente unerlässlich wie beispielsweise das "Stalking Risk Profil" oder "DyRiAS Intimpartner".
Dieser Beitrag ist ein modifizierter Auszug aus folgendem Buchkapitel: Jens Hoffmann & Katrin Streich In: W. Ortiz-Müller (Hrsg.) Stalking – das Praxishandbuch. S. 241-250. Stuttgart: Kohlhammer, 2017.