von Dr. Jens Hoffmann , I:P:Bm
Im Oktober 2019 erschoss der in Halle lebende Stephan B. mit selbst hergestellten Waffen zwei Menschen. Seine Tat streamte er live. Der rechtsextrem motivierte Täter hatte geplant, ein Massaker in einer Synagoge zu verüben. Glücklicherweise gelang es ihm nicht in das Gebäude einzudringen. Bei den späteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass Stephan B. sich exzessiv mit Ego-Shootern auf der Spieleplattform “Steam” beschäftigt hatte. Laut Informationen des MDR verbrachte Stephan B. dort hunderte von Stunden mit Computerspielen und unterhielt auch zahlreiche Kontakte. Realität und Fantasie vermischten sich offenbar zunehmend bei ihm.
Gegenüber den ihn vernehmenden Polizeibeamten äusserte Stephan B., er habe sich während der Tat im “Kampfmodus” befunden, wie in einem Ego-Shooter-Spiel am Computer. Jeder, der ihn bei der Tat zu stören versuchte, sei für ihn ein Feind gewesen.
Bereits zwei Jahrzehnte zuvor wurden im deutschsprachigen Raum das Thema Ego-Shooter und eine mögliche Verknüpfung mit Gewalt diskutiert. Hierbei ging es um sogenannte Schulamokläufe. Inspiriert von einer solchen Gewalttat im US-amerikanischem Columbine erschoss am 26. April 2002 in einer Schule in Erfurt ein ehemaliger Schüler 16 Menschen. Anschließend tötete er sich selbst. Es stellte sich heraus, dass auch er zuvor exzessiv Ego-Shooter gespielt hatte. Ein weiterer jugendlicher Ex-Schüler baute 2006 in Emsdetten seine ehemalige Schule digital nach und übte mit dem Ego-Shooter Counter-Strike bevor er seine Tat begann.
Hiermit soll keinesfalls argumentiert werden, dass Ego-Shooter regelmäßig ursächlich schwere Gewalttaten verursachen. Wenn sich jedoch Fantasien der Rache verknüpfen mit Ideologien, wenn konkrete Szenarien und Pläne formuliert und mit Ego-Shootern eingeübt werden, dann gilt es unbedingt genauer hinzusehen.
Der Schritt aus der digitalen Welt in die physische Gewalt ist dabei meist begleitet von radikalen Ideologien und Vorstellungen, aber auch von konkreten Planungs- und Vorbereitungshandlungen. Die Identifizierung als Krieger oder Soldat für eine höhere Sache stellt ebenfalls ein Warnzeichen dar.
Risiko-Analyse-Modelle wie die Warnverhaltenstypologie ermöglichen hier eine differenzierte Analyse, gegebenenfalls auch um ein mögliches Risiko zu entschärfen.