von Dr. Nils Böckler, I:P:Bm
Die Gesellschaft und die ihr innewohnenden sozialen Dynamiken verändern sich stetig und damit auch die bedrohlichen Szenarien, mit denen wir als Präventionsakteure konfrontiert werden. Neue Lebensbedingungen, die unsere Anpassungsleistungen strapazieren – wie natürlich ganz besonders im letzten halben Jahr die Corona-Pandemie – können wie ein Brennglas auf solche Veränderungsprozesse wirken. Dies bekommen wir auch an unseren Schulen mit, in denen junge Menschen jeden Tag zusammenkommen, nicht nur, um zu Lernen sondern immer auch, um Identität zu gestalten, zu testen und nicht selten entsprechende Entwürfe auch wieder zu verwerfen. Problematische Bewältigungsmuster, die sich in manchen Fällen zu manifesten Krisen auswachsen können, bleiben dabei nicht aus. Schulinterne Krisenteams haben sich in diesem Zuge immer mehr als probater Weg etabliert, effektiv mit derartigen Problemlagen umzugehen.
Nachdem Amokdrohungen lange Zeit im Aufmerksamkeitsfokus von Krisenteams standen, waren es in den letzten fünf Jahren vermehrt auch Radikalisierungsprozesse islamistischer, rechts- und linksextremistischer Couleur. Insbesondere durch die sozialen Medien haben es die Extremisten dabei leicht in die Klassenzimmer geschafft – und sie schaffen es immer noch: So ist plötzlich die Atomwaffendivision in aller Munde, die auf der Onlinegamingplattform Steam ihre Ideologie verbreitet oder ein Videospiel der Identitären Bewegung, in dem antisemitische und andere menschenfeindliche Ressentiments bedient werden. Eine ähnliche „Gamification“ problematischen Handelns konnte auch beim Thema Mobbing sowie in den Bereichen des selbstverletztenden und suizidalen Verhaltens beobachtet werden. Problematisches Schülerhandeln, das sich sowohl gegen andere Menschen als auch gegen die eigene Person richten kann, ist in seiner inhaltlichen Ausgestaltung offenkundig – zumindest in Teilen – Trends unterworfen. So vielfältig sich diese scheinbar neuen Phänomene in der Vergangenheit auch dargestellt haben, so wirkmächtig hat sich für die Prävention all dieser Verhaltensmuster immer wieder der Ansatz des schulischen Krisenteams erwiesen.
In unserem Seminar “Krisenteams an Schulen” geht es darum, engagierte Angehörige einer Schule (etwa Lehrer oder Sozialarbeiter) dazu zu befähigen, Krisenszenarien in der eigenen Institution frühzeitig zu erkennen und proaktiv systematische Interventionsabläufe zu entwickeln. Dabei ist auch der Netzwerkaufbau zu Polizei, psychologisch-psychiatrischen Einrichtungen und verschiedenen Behörden zentral. Da das Seminar auf die Praxis ausgerichtet ist, wird das Erlernte immer wieder in praktischen Übungen umgesetzt. So werden etwa das Sprechen mit auffälligen Schülern und die Nutzung von Notfallordnern eingeübt. Stets bleibt dabei das primäre Ziel des Seminars im Mittelpunkt: der Aufbau arbeitsfähiger Krisenteams an Schulen, die unmittelbar nach der Fortbildung ihre Arbeit aufnehmen können.