von Dr. Jens Hoffmann, I:P:Bm
Das Phänomen des Nachahmungseffekts gilt mittlerweile als wissenschaftlich gut belegt. Sowohl bei Suiziden, aber auch bei sogenannten Schulamokläufern und bei radikalisierten Einzeltätern ist dieses Phänomen dokumentiert. Aufsehenerregende Akte der Gewalt können somit weitere Taten inspirieren.
So geschah es nun offenbar gestern am Hauptbahnhof in Frankfurt/Main. Ein 40-jähriger Mann hatte einen 8-jährigen Jungen vor einen einfahrenden Zug gestoßen. Dieser starb noch vor Ort. Auch dessen Mutter wurde ins Gleisbett gedrückt, konnte aber entkommen. Zudem war eine weitere Passantin betroffen, auch ihr gelang es sich zu retten.
Bereits vor gut einer Woche hatte es einen ähnlichen Fall gegeben. Am Bahnhof in Voerde in Nordrhein-Westfalen hatte ein Mann eine Frau vor einen Zug gestoßen und auf diese Weise getötet. Möglicherweise spielte hier der Nachahmungseffekt eine Rolle. Je mehr über den Täter, seine Motive und seinen Hintergrund berichtet und spekuliert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten.
Und auch, dass der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen Urlaub wegen der beiden Taten medienwirksam unterbricht, kann im Sinne des Nachahmungseffektes problematisch sein. Es macht deutlich, das man als unbekannte Person durch eine solche Tat viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.
Es gilt also von Medienseite möglichst knapp und neutral zu berichten. Es sollte nicht über Tatmotive spekuliert werden und auch keine personalisierten Informationen über die Täter in die Medien gelangen, um weitere Nachahmungsakte zu vermeiden.
Über das Leid der Betroffenen und die Erschütterung der Menschen in Folge der Taten sollte pietätvoll und emphatisch berichtet werden, ohne Angehörige, Freunde oder Kollegen emotional vor den Kopf zu stoßen oder zu verletzen.
In jüngster Zeit scheint es so, dass mehr und mehr Pressevertreter über das Phänomen des Nachahmungseffekts informiert sind und dies in ihrer Berichterstattung berücksichtigen. Hier scheint sich eine positive Entwicklung anzubahnen.