von Nils Böckler, I:P:Bm
Fast zur selben Zeit als die Medien vom Fall der letzten IS Bastion in Syrien berichteten, ereignete sich eine der verheerendsten rechtsextremistischen Gewalttaten seit dem Attentat von Oslo und Utøya im Jahr 2011. Der Anschlag von Christchurch (Neuseeland), bei dem ein 28-Jähriger Australier 50 Menschen ermordete, fand in einem Land statt, das weder durch extreme politische Polarisierung, noch durch populistische Demagogen, geschweige denn eine harte und gewaltbereite rechtsextremistische Szene auffällt. Wohl gerade auch deshalb war der Inselstaat als Tatort attraktiv für den Attentäter geworden, der als Einzeltäter agierte im Netz aber Teil einer breit aufgestellten ideologischen Hassgruppe war.
Im Terror ist die Unberechenbarkeit zugleich immer auch Kalkül. Diese Unberechenbarkeit gilt es zu durchbrechen. Prävention beginnt daher bei der Sensibilisierung für die frühen Phasen einer Radikalisierung und Intervention bei dem Verständnis über die interne Logik solcher Taten. Aus diesem Grund werden in dem Seminar „Rechtsextremistische Gewalt: Erscheinungsformen, Eskalationsdynamiken und Gegenstrategien“ am 8. und 9. Mai 2019 in Frankfurt am Main mit den TeilnehmerInnen die verschiedensten Facetten dieser Form zielgerichteter Aggression an zahlreichen Fallbeispielen beleuchtet. Darunter werden wir uns Fragen widmen wie:
Welche rechtsextremistischen Dynamiken und Botschaften lassen sich im Internet identifizieren und wie schnell gerät man in den Sog gewaltaffiner virtueller Netzwerke? Ein Beispiel sind hier etwa neurechte Bewegungen, die in einer vermeintlichen Islamisierung der westlichen Welt eine Bedrohung für die eigene kulturelle Identität sehen.
Welche Rolle spielen Persönlichkeits- wie Gruppendynamiken bei der Tatentwicklung? Welche Rolle spielen etwa Formen der Selbstinszenierung im Vorfeld einer Tat oder sogar, wie im jüngsten Fall geschehen, die Live-Übertragung des Geschehens via Facebook? Welche Rollenmuster hält darüber hinaus die Szene für verschiedene Persönlichkeitstypen bereit?
Welche Warnverhaltensweisen sind im Vorfeld rechtsextremistischer Gewalt zu erkennen? So zeigte sich etwa im Fall von Christchurch, dass Prozessen der Identifizierung und Fixierung eine erhebliche Relevanz zukam. Der Täter hatte sich nicht nur mit anderen rechtsextremistischen Attentätern identifiziert und ihre Namen auf seine Tatwaffe geschrieben, sondern er sah seine Gewalttat auch als Stein des Anstoßes für ihm folgende Nachahmungstäter, die sich — wie er selbst — in den Fußstapfen christlicher Kreuzritter verstehen sollten. Verhaltens- und Kommunikationsmuster wie diese lassen sich systematisieren und für die Früherkennung nutzen.
Rechtsextremismus keimt jedoch bereits in der gesellschaftlichen Verfestigung von Vorurteilen, Formen der Diskriminierung und Ressentiments. Daher müssen sich Institutionen auch fragen, wie in frühen Phasen der Eskalation ein sinnvolles Fallmanagement auf den Weg gebracht werden kann. Diese Fragen werden gemeinsam mit einem Teilnehmerkreis aus verschiedenen Professionen und Berufsfeldern erörtert. Aus der Erfahrung zahlreicher Seminare wissen wir, dass sich daraus auch gewinnbringende Optionen für den Aufbau tragfähiger Netzwerke ergeben. Wir freuen uns daher auch über ihre Anmeldung zum Seminar „Rechtsextremistische Gewalt“.