Nach den terroristischen Attentaten Anfang diesen Jahres kamen hochrangige Politiker aus aller Welt zu einem Trauermarsch nach Paris. Die weltweit übertragenen Bilder waren eindrucksvoll. Regierungschefs wie Francios Hollande, Angela Merkel, Benjamin Netanjahu und Mahmut Abbas präsentierten sich aneinandergereiht als Zeichen der Solidarität.
Insgesamt zogen 1,5 Millionen Menschen an diesem Tag durch die Strassen von Paris.
Ein bemerkenswerter Effekt, den die drei Attentäter erzielt hatten, die in loser Kooperation gezielt politische Satiriker, Polizisten und jüdische Bürger ermordeten. Nach allem was bekannt ist, waren die Anschläge nicht von langer Hand geplant. Keine Terrororganisation stand dahinter. Stattdessen gelang es den jungen Männern, die schon länger durch ihre Radikalisierung und kriminelle Aktivitäten aufgefallen waren, alleine durch skrupellose Gewalt die Welt zu bewegen.
Mehr noch: Namen und Gesichter der Täter wurden international bekannt. Ihre Selbstinszenierung in schwarzer Kleidung und als Märtyrer im Abschiedsvideo wurden immer und immer wieder gezeigt. Wie noch nie zuvor waren sie plötzlich jemand. Die jungen Männer waren gefürchtet und von mancher Seite aus sogar verehrt. Ihr grandioser Untergang im Kugelhagel der Polizei vervollständigte schließlich ihren Mythos.
Die Lernerfahrung, die erneut um den Globus ging, lautete: Ein Anschlag kann dich bekannt, sogar unsterblich machen. Er gibt dir Identität und Bedeutsamkeit. Das Leben der Täter von Paris war offenbar begleitet von Scheitern, Wut und dem Gefühl abgehängt zu sein. Doch wer will und wem es gelingt, kann den Spieß umdrehen - durch einen öffentlichkeitswirksamen Gewaltexzess.
Möglicherweise war dies auch die Motivation des Mannes, der am Wochenende in Kopenhagen Anschläge auf ein Kulturcafé und eine Synagoge verübte. Dabei erschoss er zwei Menschen, bevor er schließlich selbst von der Polizei tödlich getroffen wurde. Der 22 Jahre alte Mann war bereits wegen Waffenbesitz und Gewalttaten auffällig gewesen und hatte bis vor kurzem im Gefängnis gesessen. Die Polizei vermutet nun, dass sich der Täter von dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" in Paris hat inspirieren lassen.
Ein solcher Nachahmungseffekt bei schwerer Gewalt ist bereits seit mehr als hundert Jahren wissenschaftlich bekannt. Der US amerikanische Kriminologe MacDonald erhielt seinerzeit den Auftrag zu untersuchen, wie sich Attentate verhindern lassen. So kam er im Jahr 1911 zu dem Schluss, dass die Medien aufhören sollten die Namen der Kriminellen zu veröffentlichen. Ein solcher Stopp würde die Hoffnung auf Ruhm und Berüchtigtsein stark reduzieren, welches ein großer Ansporn für solche Verbrechen sei.
Noch immer halten wir uns bei expressiver Gewalt nicht an diese klare Botschaft. Attentäter, Terroristen und Amokläufer wissen, dass wenn sie entschlossen genug töten ihre Namen und Bilder weltweit Verbreitung finden. Wir sollten deshalb mit die kulturelle Praxis aufhören, dass Menschen dadurch, dass sie andere umbringen auf individueller Ebene berühmt werden.
Und es gibt deutliche Hinweise, dass eine solche Strategie Erfolg hätte. Beispielsweise ist in der Suizidprävention schon lange bekannt, dass das Schweigen der Medien über manche Fakten tatsächlich Leben rettet. Eine Studie zeigte bereits vor fast 30 Jahren, dass nachdem über Suizide in der Wiener U-Bahn nicht mehr berichtet wurde, die Selbsttötungen zu mehr als zwei Dritteln zurückgingen.
So wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit ein erfolgreiches Mittel von Gewaltprävention die Namen der Täter nicht zu nennen, ihre Gesichter zu verpixeln und ihre mediale Selbstinszenierungen als Krieger und Rächer schlicht zu ignorieren. Wir dürfen sie nicht zu gefürchteten Antihelden machen, denn das macht sie attraktiv für potenzielle Attentäter.